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Überraschender Tod - Erfahrungen eines Polizeiseelsorgers

Eutiner Hospizgespräche: Überraschender Tod - Erfahrungen eines Polizeiseelsorgers
19. September 2019 Kreisbibliothek Eutin
Volker Struve, Landespolizei Schleswig-Holstein:

Pastor Volker Struve ist seit 2014 evangelischer Polizeiseelsorger der Landespolizei Schleswig-Holstein und als solcher in erster Linie Ansprechpartner für die Sorgen der Einsatzkräfte.
Die Polizisten in Schleswig-Holstein werden im Einsatz teilweise mit sehr belastenden menschlichen Problemen konfrontiert. Polizeiseelsorger Volker Struve hilft ihnen, das Erlebte zu verarbeiten. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist daher auch die Tätigkeit bei der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei Schleswig-Holstein in Eutin, wo er Polizeischüler auf ihren Dienst vorbereitet. Hierbei kümmert sich nicht ausschließlich um rein dienstliche Belange. So betreute er auch einen Polizeischüler, der als junger Familienvater mit dem Tod seiner Ehefrau zurecht kommen musste.
Volker Struve hat einige Dinge mitgebracht, die er bei seiner Arbeit verwendet. Hierzu zählt auch ein Stofftier, ein knuddeliger kleiner Polizeibär, der den Kontakt zu Kindern im Einsatz erleichtert. Eine handfestere Aufgabe erfüllt die Schutzweste, die auch der Polizeiseelsorger im Ernstfall tragen muss, obwohl er in zweiter Reihe eingesetzt wird. Der G-20-Gipfel in Hamburg 2017 mit den zahlreichen gefährlichen Einsätzen machten es erforderlich, dass auch der Seelsorger sich hier entsprechend schützte. Besonders habe sich die Lage hier dadurch zugespitzt, dass eine Polizeiwache von Demonstranten gestürmt wurde und Waffen gestohlen wurden.
In seinen Unterricht bringe er immer als Symbole ein Herz, ein Gehirn und eine Filmklappe mit. Das Herz symbolisiere das notwendige Mitgefühl und den Respekt, das Gehirn verlange, so beteiligt zu werden, dass die Gefühle nicht die Oberhand gewinnen und die Filmklappe mache deutlich, dass die Rolle des Polizisten auch in menschlich belastenden Situationen streng definiert sei.
Auch verwende er gern zwei Batterien, die klar machten, dass zwar die eigene Energie nicht unbegrenzt zur Verfügung stehe, dass aber auch andere Quellen genutzt werden könnten, weil man ja nicht alle Aufgaben allein erledigen müsse.
In der täglichen Arbeit würden Polizisten manchmal mit menschlich schwierigen Situationen konfrontiert, in denen der Seelsorger unmittelbar unterstützen könne. Struve erinnert sich an einen Fall von plötzlichem Kindstod, in dem die Polizisten sowohl mitfühlend und respektvoll als auch professionell mit den Angehörigen umgehen müssten. Von den Polizisten erfordere dies eine dienstlich notwendige Distanz, die der Seelsorger nicht einhalten müsse.
Die schwierigste Situation sei für Polizisten aber, wenn sie gezwungen werden, im Dienst ihre Schusswaffe zu gebrauchen. Dabei seien die vorrangehenden Situationen meist nur schwer einschätzbar und stellten hohe Anforderungen an das Verantwortungsbewusstsein und die Reaktionsfähigkeit der Beamten. Ein Beispiel hierfür sei es, wenn nicht erkennbar ist, ob sich bei einem Notruf hinter einer Tür ein Opfer oder ein Täter befinde.
Polizisten seien dann nach einem „Schusswaffengebrauch mit Todesfolge" vorübergehend meist nicht dienstfähig. Dies zeige, dass niemand leichtfertig seine Schusswaffe einsetze.
Die weitere Aufarbeitung erfolge dann nicht akut, sondern zumeist nach einigen Tagen. Oft werde dann nicht mehr als ein Gespräch geführt. Die meisten Vorgesetzten seien heute gut auf solche Lagen vorbereitet. Gab es in der Vergangenheit für den jungen Polizeimeister, der im Dienst seine erste Leiche gesehen hatte, noch nach Dienstende einen Schnaps, finden heute Gespräche über das Erlebte statt.
Viel Beistand leistet der Polizeiseelsorger auch, wenn Polizisten in ihrer Dienstzeit versterben. Hierbei gebe es eine verhältnismäßig große Zahl an Selbstmorden auch mit der eigenen Waffe. Ein Suizid werde meist strukturiert vorbereitet, so dass er die Hinterbliebenen umso ratloser zurücklässt. Hier ist für den Polizeiseelsorger ein Ansatzpunkt für eine kreative Trauerarbeit gegeben.
Die Entscheidung, ob der Polizist oder immer mehr auch die Polizistin den Polizeiseelsorger um ein Gespräch bitte, hänge auch von deren Alter ab. Ältere seien vor allem in der Vergangenheit „deswegen doch nicht zum Pastor" gegangen.
Auch an diesem Abend hat Volker Struve seine Schlüsselanhänger in Form von silbernen Schutzengeln dabei. „Diese sollen den Beamten zum einen Glück bringen, zum anderen aber auch die Hemmschwelle senken, mit mir Kontakt aufzunehmen", berichtet der Theologe, „darum ist meine Mobiltelefonnummer auf den Anhänger graviert".
Viele Gäste der Hospizgespräche nehmen gern einen Schutzengel mit, nachdem alle dem Polizeiseelsorger mit viel Beifall für seinen engagierten Vortrag gedankt haben.
Detlev Seibler

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